Ich bin Journalist – kein Sportreporter
Wer über Sport schreibt, sieht sich oft mit Vorurteilen konfrontiert, die das Arbeiten in anderen Bereichen des Journalismus erschweren oder sogar verbauen können. Ein Erfahrungsbericht.
Der Rektor der Universität war einfach nicht zu überzeugen. Im Vorstellungsgespräch machte er immer wieder deutlich, dass ich für ihn ein Sportjournalist sei, dem er nicht zutraue wissenschaftliche Themen verständlich aufzubereiten. Zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade eineinhalb Jahre lang als Mitglied der Ressortleitung eine Sportredaktion aufgebaut und dort die aktuelle Berichterstattung verantwortet. Dass ich davor in meinem Redakteursleben als Agenturjournalist über die unterschiedlichsten Themen aus allen Ressorts geschrieben hatte, kam bei ihm nicht an. Obwohl mir das Gespräch nur noch als Formsache angekündigt worden war und ich den geforderten ausgefüllten Personalbogen für die Einstellung mitgebracht hatte, bekam ich die Stelle nicht.
Dieses Ereignis liegt mittlerweile einige Jahre zurück. Aber mit dem Makel „Sportjournalist“ bin ich seither immer wieder konfrontiert worden. Heute haben meine Beiträge über Fußballthemen die höchste Sichtbarkeit im Internet. Das führt dazu, dass ich immer wieder in der Schublade „Sie schreiben ja nur über Sport“ lande. Doch das ist falsch. Ich schreibe auch über Medienthemen, Maschinenbau oder Start-ups und Nachhaltigkeit in der Region. Ich habe ein Patientenmagazin relauncht und zwei Jahre als verantwortlicher Redakteur geleitet. Gerade setze ich ich eine von mir konzeptionierte Interview-Serie für ein IT-Unternehmen um. Zudem habe ich regelmäßig Lehraufträge für Journalismus an einer Hochschule.
Ein schlechtes Image, das nicht totzukriegen ist
Doch all das sticht im Internet nicht sofort ins Auge. Die Beiträge erscheinen in Fachzeitschriften, manchmal auch ohne meinen Namen. Oder sie befinden sich hinter der Paywall. Gerade erst hatte ich – nach Empfehlung eines befreundeten Kollegen aus dem Bereich Weiterbildung – einen längeren positiven Mailwechsel mit einem Verband für ein Schreibcoaching. Dann kam plötzlich die Absage. Es habe definitiv nicht an meinen Honorarvorstellungen gelegen, wurde mir auf Nachfrage versichert. Die Mehrzahl der Mitglieder des Verbands habe anders entschieden. Ein Schelm …
Was mich oft ärgert, ist das schlecht Image des Sportjournalismus in der Gesellschaft. Die Vorstellung vom verkappten Fan, der den Job vor allem macht, um kostenlos die Spiele in seiner Lieblingssportart verfolgen zu können, ist einfach nicht totzukriegen. Dabei gibt es schon lange prominente Beispiele, die gezeigt haben, dass es primär um das journalistische Handwerkszeug geht – und nicht um das Ressort. Hanns Joachim Friedrichs, Namensgeber eines renommierten Journalisten-Preises, moderierte sowohl das „Sportstudio“ im ZDF wie auch die „Tagesthemen“ in der ARD. Marcel Reif arbeitete zunächst für die ZDF-Sendungen „heute“ und „heute journal“, bevor er einer der angesehensten deutschen Sport-Reporter wurde.
Das anspruchsvollste Ressort
Ich kenne die klassischen Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur, Vermischtes und Sport alle aus meiner eigenen Erfahrung. Für mich ist Sport das anspruchsvollste Ressort. Nirgendwo kann man schlechter verschleiern, dass man von dem Thema nur eine begrenzte Ahnung hat. Nirgendwo ist der Zeitdruck höher, regelmäßig mit Schlusspfiff oder Zieleinlauf einen vollständigen Bericht abzuliefern. Nirgendwo liegen die Arbeitszeiten regelmäßig am Wochenende und in den Abendstunden. Nirgendwo gibt es mehr Großevents wie Welt- und Europameisterschaften oder Olympischen Spiele in familienfeindlichen Zeiten wie den Sommerferien.
Persönlich will ich nicht jammern. Gerade die Vielfalt von Themen, die der Journalismus mir immer wieder eröffnet, ist ein Grund, warum ich diesen Beruf so liebe. Dass ich den Rektor der Universität damals nicht von meinen Fähigkeiten überzeugen konnte, war im Nachhinein ein absoluter Glücksfall. Ich habe später in Sydney und Basel gearbeitet und konnte Bücher schreiben. Außerdem schreibe ich heute für ein Medium, für das ich schon als Kind immer arbeiten wollte. Und ich habe ein eigenes Online-Magazin gegründet, das stetig wächst. Alles gut – auch die Tatsache, dass es bei dem Medium und dem Online-Magazin nur um Fußball geht.
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