SEO und guter Journalismus – passt das zusammen? Teil 4: Algorithmen und abergläubische Tauben
Kennen Sie das Experiment des US-Psychologen B.F. Skinner (1904-1990) mit den abergläubischen Tauben? Dabei geht es um sich wiederholendes Verhalten durch eine vorgetäuschte Belohnung. Und das hat einiges mit den Algorithmen der Suchmaschinenoptimierung (SEO) zu tun.
Was kann man sich darunter vorstellen? Für das Experiment wurden Tauben einzeln in Käfige gesetzt, in die alle 15 Sekunden ein Futterkorn fiel. Die Tauben zeigten beliebige Aktivitäten, nachdem sie in die Käfige gesetzt worden waren. Eine putzte sich, eine andere erkundete den Käfig, eine weitere hielt zum Beispiel den Kopf schräg. Diese eine Bewegung, die jede Taube gemacht hatte, wurde scheinbar durch das erste Futterkorn belohnt.
Zufällige Konditionierung
In der Hoffnung auf mehr Futter fingen die Vögel an, die Bewegungen zu wiederholen. Dafür wurden sie scheinbar mit weiteren Körnern belohnt. Dass die Körner jedoch ohnehin in kurzen Zeitintervallen in den Käfig gegeben wurden und nicht als Konsequenz auf ihr Verhalten, war den Tieren nicht bewusst. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer zufälligen Konditionierung.
Und was hat das alles mit Suchmaschinen zu tun? Nun, eine hohe Platzierung bei den Suchergebnissen ist eine Belohnung für ein bestimmtes Verhalten bei der Optimierung der Seite. Sie entspricht quasi dem Futterkorn.
Die hohe Platzierung ist wie ein Futterkorn
Bei der Klassifizierung von Inhalten im Netz verwenden Suchmaschinenanbieter wie Marktführer Google oder Bing bestimmte Mechanismen, sogenannte Algorithmen. Doch in der Regel gibt ein Anbieter seine Kriterien zur qualitativen Einstufung der erfassten Seiten nicht bekannt. Und immer wieder werden diese Algorithmen auch geändert.
Ein SEO-Stil versucht, sich diesen Suchmechanismen anzunähern. Bei den Mechanismen handelt es sich um implizite Regeln, die anhand der Erfolgsfaktoren der Optimierung rekonstruiert werden. Wie genau SEO funktioniert, weiß jedoch außer den Urhebern der Algorithmen wohl keiner wirklich genau.
Aber jedes Mal, wenn die Suchmaschine ein Futterkorn auswirft, wird das vorangegangene Verhalten bei der Ausrichtung von Inhalten wiederholt – so wie die Tauben des Psychologen Skinners sich putzten oder den Kopf schräg legten.
Fazit: Wissen um SEO kann vor Manipulation schützen
Wer sich dem Diktat der Suchmaschinen unterwirft, kann vielleicht kurzfristig mehr Leser erreichen. Das Wissen, mit welchen Mitteln Inhalte im Internet mehr Reichweite erreichen, hilft, eine kritische Haltung und eine gewisse Vorsicht vor möglichen Manipulationen zu entwickeln. Insofern sollte sich jeder Journalist mit dem Thema SEO beschäftigen, wenn er Informationen aus dem Internet bezieht. Mit journalistischem Schreiben hat SEO-Schreiben jedoch wenig zu tun.
Auf Dauer wird sich diese Form des Schreibens nach Ansicht des BDZV-Präsidenten Mathias Döpfner ohnehin nicht durchsetzen: „Am Ende kommt es auf die Qualität des Inhalts an. Es kommt darauf an, ob man ein wirklich leserorientiertes Angebot liefern oder nur Klicks maximieren will, die Werbekunden glücklich machen.“
Noch Fragen?
Zum Hintergrund: In der vierteiligen Serie „SEO und guter Journalismus – passt das zusammen?“ geht es um Keywords (1), Titel (2), Teaser (3) und Algorithmen (4).
Die hier aufgeführten Thesen stammen in weiten Teilen aus meinem gerade erschienenen Buch: „Das Wichtigste zuerst. Meldungen schreiben in Zeiten von Twitter, Fake News und Roboter-Journalismus“. Das Buch gibt es im Buchhandel (online und stationär) oder direkt und versandkostenfrei im BOD-Buchshop.
Schreibe einen Kommentar