„Ich bin frei …“ – Prämierter Wettbewerbsbeitrag für den DJV-Hessen
Für freie Journalisten hat der DJV-Hessen einen Preis ausgeschrieben. Von Wort-Journalisten/Innen wurde ein prägnanter Kommentartext mit ungefähr 3600 Anschlägen erwartet. Sie sollten darlegen, warum sie „frei“ sind und ihre aktuelle Situation während der Corona-Pandemie schildern. Mein Beitrag war unter den 40 ausgewählten dabei, was mich ungemein freut:
Ich bin frei weil … es meinem Wesen entspricht. Um das in Worte fassen zu können, musste ich allerdings fast 50 Jahre alt werden. Darauf gekommen bin ich mit der Genius-Methode. Mit diesem Werkzeug aus dem Coaching kondensiert man seine grundlegenden Fähigkeiten in einen Satz, der mit einem zentralen Lebensthema verbunden ist. Als ich diese Übung in meiner Ausbildung zum Coach gemacht habe, kam als mein Motto heraus: „Neues zielführend gestalten“. Und das kann ich am besten, wenn ich frei arbeite.
Fast zwei Jahrzehnte lang hatte ich Festanstellungen, vor allem bei Nachrichtenagenturen. Ich war Chef vom Dienst und Ressortleiter, habe spannende Projekte begleitet, geleitet, neue Redaktionen aufgebaut und im Ausland gearbeitet. Aber irgendwann bin ich immer an Grenzen gestoßen, an Sachzwänge, verkrustete Strukturen. In Alltag und Routine hat sich kaum noch etwas bewegt. Und dann wurde ich unzufrieden.
Es ist gut drei Jahre her, dass ich mich entschlossen habe, wieder frei zu arbeiten – so wie vor meiner ersten Festanstellung. Mich wieder auf den frühen Pfaden meines Berufslebens zu bewegen, war zunächst überraschend einfach. Ich schrieb für ganz unterschiedliche Auftraggeber, hielt Workshops in Redaktionen, begleitete Medienhäuser bei Change-Prozessen, baute einen Blog auf und ließ mich zum Coach ausbilden. Im ersten Jahr verdiente ich besser als je zuvor und fand zugleich Spaß, Freude und Erfüllung.
Doch dann brachen innerhalb weniger Wochen mehrere Kunden entweder komplett weg oder reduzierten das Volumen drastisch. Neue Aufträge blieben aus und zugleich liefen mir die Kosten davon. Ich war geschockt, wie schnell das Geld knapp wurde. Das zweite Jahr war hart. Aber ich habe es durchgestanden, sicher auch, weil meine Frau Geld verdient hat.
Aufträge für Coaching und Beratung sind inzwischen auch wegen der Corona-Pandemie nahezu vollständig versiegt. Deswegen habe ich mich auf das konzentriert, weswegen ich Journalist geworden bin: das Schreiben. Damit hat sich meine Situation wieder stabilisiert.
Die Frage nach der Relevanz freier Journalistinnen und Journalisten empfinde ich nicht als zielführend. Die Presse- und Medienfreiheit sind entscheidend – und die Freiheit, die einem ein Auftrag- oder Arbeitgeber einräumt. Freie Journalisten sind in der Regel auch den Vorgaben ihrer Kunden und den Gesetzen des Marktes unterworfen, müssen sehen, wie sie sich finanzieren.
Was mich immer wieder ärgert, ist allerdings die finanzielle Ungleichbehandlung. Als Festangestellter habe ich meist nach Tarif und manchmal sogar besser verdient. Als Freier bekomme ich für die gleiche Arbeit oft nicht einmal die Hälfte. Eine gute Verhandlungsposition hat man in der Regel nicht. Da fühle ich mich auch vom DJV manchmal alleingelassen. Aber ich will nicht klagen. Ich habe mich bewusst für diesen Weg entschieden. Zurück in eine Festanstellung möchte ich auf keinen Fall.
Dass eine feste Stelle mehr Sicherheit bietet, halte ich ohnehin für einen Irrglauben. Ich habe einmal für ein Unternehmen gearbeitet, das aus heiterem Himmel Insolvenz angemeldet hat. Seit Jahren sehe ich immer mehr Kollegen, die abgeschoben, abgefunden oder (vermeintlich) sozialverträglich abgebaut werden. Oder sie müssen regelmäßig neue Kröten schlucken, um ihre Anstellung zu behalten.
Ich weiß, dass meine Freiheit ihren Preis hat. Am Ende bleibt es eine Mischkalkulation: Ich mache Dinge, die Geld bringen. Ich mache Dinge, die Spaß bringen. Und immer öfter bringen die Dinge, die Spaß machen, auch Geld. In diesem Rahmen kann ich steuern und entscheiden. Unter dem Strich steht für mich deswegen ein klares Plus für die Freiheit.
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